Ein Schatten legt sich jetzt über die Erinnerung an den Vater. Nicht der Tod selbst, nein, die Umstände seines Sterbens werfen Jahre später einen dunklen Schleier über das Leben der Tochter. Damals, am Krankenbett des Vaters, der bereits im Koma lag und nicht mehr selbst entscheiden konnte, geriet sie zwischen die Fronten. Die Mutter, gebeugt von Schmerz und Angst vor dem Unausweichlichen, flehte die Tochter an, die Ärzte von weiteren lebenserhaltenden Maßnahmen abzubringen. „Lass ihn gehen“, befehligte sie, „erlöse ihn von seinem Leiden.“ Doch die behandelnde Ärztin sah noch Möglichkeiten, den Kampf um das Leben ihres Vaters fortzusetzen.
Gefangen in diesem unlösbaren Konflikt, gedrängelt zwischen dem Drängen der Mutter und dem Wissen, dass die Ärztin noch nicht aufgegeben hatte, gab die Tochter nach. Die Worte der Mutter überwogen. Nach Rücksprache mit ihrem Bruder und Schwägerin sprach sie mit den Ärzten, und bald darauf schlossen sich die Augen ihres Vaters für immer.
Die Jahre vergingen, doch die Erinnerung an diesen Moment verblasste nicht. Und dann plötzlich, wie aus dem Nichts, der Vorwurf: „Das ging zu schnell!“ Als ob sie ihm die letzten Tage, die letzten Stunden genommen hätte, so die Mutter und ihr Bruder. Das ist ein sehr heftiger Vorwurf!
Die Worte trafen sie wie ein Schlag. Schuldgefühle und Zweifel – alles brach über sie herein. Hatte sie den flehenden Bitten ihrer Mutter nachgeben dürfen, obwohl die Ärztin noch Hoffnung hatte?
Die Last dieser Entscheidung lastet jetzt noch schwerer auf ihren Schultern. Sie trägt sie jetzt jeden Tag, jede Stunde, jede Minute. Eine Last, die sie vielleicht nie wieder ablegen kann. Doch sie weiß auch: Sie hat in einem Moment der höchsten Not entschieden, hin- und hergerissen zwischen den Wünschen ihrer Mutter und der ärztlichen Meinung. Und das ist alles, was sie sich vorwerfen kann.
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